top of page

Gesellschaftlicher Wandel - Systemisch weiter gedacht


Wir haben es schon länger geahnt: die Veränderungen in der Welt, die Umbrüche und Krisen, die Bedrohungen und Chancen der Gesellschaft(en), in denen wir leben, sie gehen uns auch als Beratungsinstitut etwas an. Wir erkennen, dass wir die gesellschaftlichen Prozesse und unsere Haltungen dazu nicht länger in das „Private“ schieben können. Unsere Arbeit ist politisch, ob uns das recht ist oder nicht. Wir wachsen gerade aus unseren alten Kleidern heraus.

Die Geschichte von trainconsulting begann in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts: Eine kleine Gruppe von Trainer*innen beschloss, eine Firma zu gründen. Wir wollten Trainings anbieten, Beratung im heutigen Sinne gab es noch nicht. Und so begann es….


Der Beginn: Die Tiefen der Seele


Geprägt von den Gedanken und Theorien der Studentenbewegung der 70er Jahre waren Psychoanalyse, die marxistischen Konzepte der Frankfurter Schule und später die Gruppendynamik unsere theoretischen, methodischen, aber auch ethischen Wurzeln. In dieser Zeit des gesellschaftlichen Aufbruchs ging es uns und vielen unserer Kollege*innen damals um Emanzipation des Menschen, um einen aufklärerischen Anspruch, dem wir uns verpflichtet fühlten. Wir wollten mit unserer Arbeit als Trainer*innen einen Beitrag dazu leisten, Bewusstsein für das eigene Handeln und das Zusammenspiel mit anderen Menschen sowie die Motive dahinter zu schaffen. Die Menschen und die Dynamiken zwischen ihnen standen im Mittelpunkt unserer Arbeit. Gruppendynamik als Theorie, als Setting und als Methodik leitete uns. Es war die Zeit, in der der „Stuhlkreis“ das neue Setting der Seminare wurde und den Frontalunterricht ablöste. Damals war das eine Revolution.


Wir selbst setzten uns ebenfalls diesen Prozessen aus und durchliefen lange und tiefe Prozesse der Therapie und Selbstreflexion.

Der Wandel: Die Muster der Systeme


Ende der 80er Jahre kam Systemisches Denken in unsere Welt: Am Heidelberger Institut für Familientherapie begannen Fritz B. Simon und Gunthard Weber die Branche der Beratung systemisch auszubilden. Wir waren ziemlich am Anfang dabei, und was wir dort lernten, brachte einen fundamentalen Prozess der Veränderung unserer bisherigen Arbeit mit sich: Lieb gewonnene Modelle und Methoden, unsere Arbeitsunterlagen, unsere Haltung, einfach unsere gesamte Arbeitsweise und unser professionelles Selbstverständnis veränderten sich radikal. Wir mussten uns neu erfinden. Wir nahmen Abschied von der personen- und beziehungsfokussierten Arbeitsweise und nahmen Organisationen als unsere Kundensysteme in den Blick.


Es war ein mehrjähriger Prozess, der aus einem Ringen um das Durchdringen der Theorie, der Umsetzung des systemischen Paradigmas in unsere Arbeit und aus der Entwicklung unserer eigenen systemischen „Handschrift“ bestand.


Die Arbeit mit Großgruppen veränderte unsere Arbeit abermals, ebenso wie die Orientierung an den Prinzipien und Methoden des Feldes von „Positiver Psychologie“. Diese Veränderungen waren Vertiefungen und Erweiterungen unserer systemischen Arbeitsweise. Sie wurden zu unserer „Handschrift“.


Die großen Veränderungen der Gesellschaft – ausgelöst durch neue Technologien der Kommunikation und Produktion und in deren Folge Globalisierung und Digitalisierung – veränderten die Organisationen unserer Kunden.


Neue Themen kamen auf: Internationalisierung, neue Formen des Führens, der globalen Kooperation und der Arbeit entwickelten sich. Neue Moden, Trends und Themen beschäftigen bis heute die Branche: Digitalisierung, Automatisierung, Agilität, Resilienz, Design Thinking.


Ein Auseinanderleben gesellschaftlicher Bereiche wurde sichtbar:

  • In vielen großen, internationalen Organisationen verloren Fragen der Nationalität, der geschlechtlichen Orientierung oder der Hautfarbe ihre Bedeutung. Das gemeinsame Ziel, die gemeinsame Marke machte Menschen – trotz Hierarchien – ein wenig „gleicher“ und „toleranter“. Durch Change-Prozesse und die Verwendung von Großgruppen-Methoden wurden Organisationen etwas „demokratischer“ und durch die Konzepte von „Positive Leadership“ in ihrer Kommunikation und Kooperation auch etwas wertschätzender.

  • Zur selben Zeit entwickelte sich in der Gesellschaft ein globaler Trend zu Rechtspopulismus, Rechtsextremisten erreichten politische Machtpositionen und durch sie eine Spaltung der Gesellschaft. Rassismus, religiöser Extremismus, Fremdenhass und Frauenhass wurden zu dominierenden Themen der öffentlichen Diskussion. Werte, Wahrheiten und Grenzen wurden dekonstruiert, zur Disposition gestellt – „das wird man doch noch sagen dürfen“. Der Kampf gegen Political Correctness, gegen „das Establishment“ setzte ein.

Das alles vollzog sich vor dem Hintergrund eines durch die globale Digitalisierung angeheizten „Innovationskriegs“ (H. Katzmair) und einer steigenden Intensität an Geschwindigkeit, angesichts einer nie dagewesenen Konzentration von Macht und Reichtum, einer Situation der Flüchtlingsbewegungen und einer sich immer deutlicher abzeichnenden Klimakatastrophe.


Unsere Rolle als Berater*innen sahen wir in diesen Jahren darin, unseren Kunden/Organisationen dabei zu helfen, in diesen turbulenten Zeiten und Bedingungen gut überlebensfähig (resilient, agil) zu bleiben. In unserem Fokus waren unsere Kunden-Organisationen, die sich mit den Entwicklungen ihrer Umwelten auseinandersetzen mussten. Unsere politischen Standpunkte waren eben privat und damit abgegrenzt, der „Neutralität“ geschuldet.


Unsere Kunden erschienen uns in diesen Jahren als von den Veränderungen Getriebene, vor allem Getriebene der „digitalen Transformation“ der Gesellschaft. Unsere Aufgabe sahen wir darin, ihnen Wege und Formen zu zeigen, wie sie – durch Veränderung von Mustern in ihren Strukturen, der Führung, der Kommunikation – ihre Handlungsspielräume erweitern und wieder stärker zu Akteur*innen und Gestalter*innen werden könnten. Damit wurden wir selbst zu

Getriebenen.


Noch vor einigen Jahrzehnten war es unsere Aufgabe, Organisationen aus ihren bürokratischen Erstarrungen in Bewegung zu bringen. Heute erscheint es uns als notwendige Innovation, zu ent-schleunigen, sich wieder Zeit zu nehmen, innezuhalten und in direkter – analoger – Kommunikation persönliche Beziehungen zu pflegen.


Die Transformation: Die Umarmung der Welt


Der Impuls zu einer radikalen Veränderung in unserem professionellen Selbstverständnis als systemisches Beratungshaus kam an unserem 30. Geburtstag. Wir wollten dieses Jubiläum mit einer Veranstaltung feiern, die uns mit allen unseren Ebenen, Themen und Bewegungen zeigen sollte.


Und so zeigten wir unseren Weg als systemische Berater*innen auf, indem wir einige unserer wichtigsten Lehrer*innen, Begleiter*innen und Förderer*innen auf das Podium baten, um gemeinsam die Vergangenheit zu rekonstruieren.


Anschließend machten wir einen Versuch, der für Systemiker*innen nicht ungewöhnlich ist: wir luden Persönlichkeiten aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen ein, mit uns gemeinsam den Zustand der Gesellschaft aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu diskutieren: Michael Landau (Caritas Österreich), Günther Ogris (SORA), Kurt Bayer (Wirtschaftsforscher – ehemals Wifo), Lisa Mittendrein (attac), Eva Linsinger (Profil) und Fritz Simon (Wissenschaftler und Verleger). Darüber hinaus konnten die Teilnehmer*innen auch in zwei weiteren Panels über die aktuelle Situation in der Welt diskutieren.


Die Resonanz auf diese Veranstaltung übertraf alle unsere Erwartungen. Was unsere Teilnehmer*innen am meisten begeisterte, war einerseits der Umstand, Menschen zu begegnen, mit denen man sonst nicht so leicht zusammenkommt, und andererseits unser Hereinnehmen gesellschaftspolitischer Themen in unseren sonst so distanzierten, „neutralen“ und professionellen Rahmen. Das war neu – auch für uns.


Diese Feedbacks ermutigten uns dazu, diese Form der Veranstaltung zu wiederholen. Aber sie ermutigten uns auch, in unserer eigenen Firma über unsere gesellschaftspolitischen Positionen und unsere Verantwortung in dieser Gesellschaft nachzudenken.


Die in Zwischenzeit entstandene Bewegung „Fridays for Future“, das Erwachen der Zivilgesellschaft, die vielen Initiativen, neuen Netzwerke und wissenschaftlichen Beiträge erzeugten bei uns eine Energie, die wir nicht länger einfach „privatisieren“ konnten.


Und da war sie plötzlich, die Veränderung.


In unseren Diskussionen wurde immer klarer:

  • Als Organisation haben wir Bedeutung und auch Verantwortung dafür, was in der Gesellschaft passiert. Wir tragen irgendwie zu ihrer Entwicklung bei.

  • Wir können und wollen die gesellschaftlichen Fragen nicht mehr als unsere „Privatsache“ sehen, sondern als Teil unserer professionellen Rolle.

  • Wir können als Expert*innen für Veränderung und als Systemiker*innen viel Erfahrung, Wissen und Können zur Verfügung stellen, um gesellschaftliche Entwicklungen zu beeinflussen. Wir sind nicht nur die Getriebenen der Veränderungen.

  • Als Beratungsunternehmen vertreten wir eine ethische gesellschaftspolitische Position, die sich auf die 17 Ziele der UNO – die „Sustainable Development Goals“ – bezieht. Wir haben also durchaus eine politische Schlagseite. Diese leitet auch unser Handeln als Berater*innen.

  • Wir betrachten unsere Kunden-Organisationen nicht mehr als „unsere Kundensysteme in einer Umwelt“, sondern versuchen, das Zusammenspiel von Organisationen und Gesellschaft zu betrachten und zu gestalten.

  • Wir nehmen nicht mehr – wie bisher – unsere Kunden-Organisationen als Getriebene gesellschaftlicher Veränderungen in den Blick, sondern sprechen sie aktiv auf ihre Verantwortung für gesellschaftliche Entwicklungen an. Diese betrachten wir als mindestens so bedeutsam, wie die Fragen nach den wirtschaftlichen Erfolgen.

Entrepreneurs for Future - Der neue Weg


Was also ist jetzt neu bei uns und für unsere Kunden-Organisationen?


Für uns selbst und nach innen verändert sich, dass wir

  • uns noch stärker mit Wissenschaft, NGOs und anderen Playern der Zivilgesellschaft vernetzen, um Wissen aufzubauen und auch, um unser Wissen dort anzubieten, wo es für eine Entwicklung zur Erfüllung der SDGs sinnvoll ist.

  • unser Mission Statement neu schreiben mussten.

Nach außen – zu unseren Kunden hin - verändert sich einiges:

  • Wir werden in unserer Beratungstätigkeit neben den bisherigen systemischen Fragen auch Fragen nach gesellschaftlichen Wirkungen und Verantwortungen unserer Kunden-Organisationen stellen und diese Perspektiven immer wieder konsequent einbringen. Erste Aktivitäten in diese Richtung zeigen uns: Viele Kunden stellen sich selbst diese Fragen und wissen, dass Veränderung und Nachhaltigkeit auch für sie bedeutet, die gesellschaftlichen Entwicklungen stärker als Teil ihrer Verantwortung zu sehen.

  • Wir werden rund um die Fragestellungen unserer Kunden-Organisationen Netzwerke von Expert*innen bauen, um möglichst viele relevante Perspektiven für die Bearbeitung komplexer Problemstellungen am Tisch zu haben. Dazu werden wir unsere Kontakte zu NGOs und anderen Expert*innen-Organisationen, zu Profitunternehmen mit klarer gesellschaftlicher Ausrichtung und zur Wissenschaft nützen.

  • Wir werden neue Lernangebote für jene Organisationen der Zivilgesellschaft schaffen, die aktiv an der Nachhaltigkeit gesellschaftlicher Prozesse in Fragen von Demokratie, Ökologie und Ökonomie arbeiten.

  • Wir werden einen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs leisten und regelmäßig Veranstaltungen anbieten, um Dialog und Lernen zu erleichtern. Das Systemicum 2020 ist die nächste Veranstaltung dazu.

  • In unseren Blogs werden wir immer wieder darüber berichten, was uns bewegt, was wir beobachten, welche Fragen sich für uns stellen.

Wir empfinden diese Veränderungen als neu, aufregend und herausfordernd. Wir haben keine fertigen Antworten, wie „es“ geht, was „man/frau“ tun kann. Wir teilen gerne unsere Erfahrungen und Gedanken und freuen uns über Anregungen und Austausch.

Der nächste konkrete Anlass zur Diskussion darüber ist das 2. Wiener Systemicum am 19.3.2020:

  • Dieses ist ein Rahmen für den Dialog vernetzter Perspektiven, von der „einen“ Wahrheit zum Dialog.

  • Es bietet in einer Zeit der Beschleunigung und einer verkürzten Sicht auf Digitalisierung, die nur kapitalistisch verwertbare Interessen im Blick hat (A. Nassehi) eine Möglichkeit des Innehaltens und ruhigen Nachdenkens.

  • Von der überbordenden digitalen „Kommunikation“ zu realen und damit „analogen“ Begegnungen von Menschen.

HIER geht es zu Programm und Anmeldung

Early Bird noch bis 30.11.2019: € 460 zzgl. Ust, danach € 560 zzgl. Ust.


Wir freuen uns auf neue Dialoge!



Geschäftsführende Gesellschafterin von trainconsulting, systemische Beraterin für umfassende Veränderungsvorhaben in Organisationen und Entwicklung von Führung, Mitglied der ÖGGO





Gesellschafter von trainconsulting, systemischer Organisationsberater, Organisations- Designer, Executive Coach, Buchautor, langjährige Führungserfahrung in internationalen Konzernen


93 Ansichten

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page