Nachlese Webinar „Vertrauen in der Krise? Culture matters!“
29. April 2020 I Johannes Köpl I Anita Lung I Harald Lederer
Wie so viele Veranstaltungen musste auch das für den 19. März 2020 geplante Systemicum aufgrund der Corona-Krise verschoben werden. Im Vorfeld hatten sich bereits zahlreiche Teilnehmer*innen für die Diskussionen in Themengruppen registriert. Eine davon zum Thema „Kultur und Identität“.
Als Trostpflaster für die Verschiebung veranstalteten drei Berater*innen von trainconsulting, gemeinsam mit der Organisationsanthropologin Stephanie Krawinkler ein Webinar zum Thema „Vertrauen in der Krise – Culture matters!“ speziell für diese Interessent*innen.
Rund 20 Teilnehmer*innen aus unterschiedlichen Feldern aus dem Profit- und Nonprofit-Bereich, Bildung und Beratung folgten am 29. April der Einladung zum Austausch.
Unserer Berater*innen Johannes Köpl, Anita Lung und Harald Lederer spannten den Rahmen für ein interaktives Webinar auf, im Zentrum stand, nach einer inhaltlichen Rahmensetzung zur Arbeit in und mit dem Feld Kultur in Organisationen, ein Interview mit der Organisationsanthropologin Stephanie Krawinkler, die zum Thema Vertrauen in Organisationen lange Zeit geforscht und ihre Erkenntnisse im Buch „Trust is a Choice“ (Carl Auer Verlag, 2013) zusammenfasste.

Dabei verdeutlichte sich die Tiefe und Komplexität dieses Alltagsbegriffes, den wir so selbstverständlich verwenden, der bei genauerer Betrachtung aber Gegenstand vieler Paradoxien und nur schwer direkt fassbar ist. Stephanie Krawinkler gab Einblicke in ihre Forschung zu Ebenen und Voraussetzungen von Vertrauen ebenso, wie in die Praxis der empirischen organisationsanthropologischen Forschung und Querverbindungen zu den systemtheoretischen Betrachtungen von Vertrauen durch Niklas Luhmann.
(Lesen Sie dazu auch das Interview von Johannes Köpl mit Stephanie Krawinkler „Dem Alltäglichen auf der Spur“.)
In Kleingruppen reflektierten wir die Impulse aus den Inputs und dem Interview und brachten sie mit der aktuellen beruflichen Praxis in Verbindung. Dabei wurde deutlich, wie sehr jede Wahrnehmung derzeit von der aktuellen Ausnahmesituation aufgrund der Corona-Pandemie geprägt ist, die oftmals wie ein Brandbeschleuniger Prozesse der Entstehung und Beeinträchtigung von Vertrauen verstärkt. Es entstanden Diskussionen um die langfristige Wirkung der aktuellen Situation und der Bedeutung, diese bereits jetzt bewusst zu gestalten. Die Reflexion reichte vom Umgang mit Homeoffice und virtueller Führung über staatspolitische Themen bis zu globalen gesellschaftlichen Fragestellungen.
Hier ein paar Diskussionssplitter und Fragen zum Weiterdenken:
- Vertrauen ist kontextbezogen und keineswegs eindeutig positiv konnotiert.
- Lässt Vertrauen sich messen? Wenn ja, wie? Und was bringt das? Wem genau?
- Das Spannungsfeld aus Vertrauen und Kontrolle im Home Office stellt für Organisationen und Führung eine Herausforderung dar. Die hier aktuell gemachten Erfahrungen werden Organisationen nachhaltig verändern.
- Eine aktuelle Momentaufnahme: Im Schatten der Covid-Krise assoziieren Menschen Begriffe wie „Vertrauen, Sicherheit, Politik, Versorgungssicherheit...“ häufiger als sonst.
- In Management-Teams gelingt Führung auch über digitale Kommunikation, wenn Führungskräfte einander vertrauen und im Kontakt zwischen Mitarbeiter*innen und Führung ebenfalls Vertrauen erlebbar ist.
- Im Change braucht es Vertrauen zum Neuen. Und das ist weder selbstverständlich noch leicht.
- Vertrauen kann nicht entschieden werden. Es entsteht im miteinander tun.
- Unterschiede werden in der Krise stärker und bedeutsamer - bspw. der Unterschied zwischen fake und fact.
- Die Idee setzt Energie frei: in der eigenen Organisation neugierig auf Spurensuche zu gehen, Vertrauen und andere kulturelle Zeichen zu beobachten, sich zu wundern und zu reflektieren.
In einem anschließenden Austausch im Plenum wurden wichtige Fragen, Erkenntnisse und Impulse geteilt und gemeinsam reflektiert.
Den Abschluss machte eine Runde zur Frage, welchen konkreten Schritt die Teilnehmer*innen selbst setzen wollten, um in ihrem professionellen Umfeld Vertrauen in eine wünschenswerte Richtung zu beeinflussen. Die Vielfalt der dabei genannten Impulse zeigt einmal mehr, wie vielseitig ein und derselbe Impuls in verschiedenen Kontexten wirken kann.

Wir haben den Austausch sehr genossen und bedanken uns bei allen Teilnehmer*innen für ihr Interesse und ihre Beiträge. Und herzlichen Dank auch an Stephanie für die Impulse und Einblicke in die anthropologische Forschung zu Vertrauen.